Doch widerspricht die Idee des Hinwegdenkens dem alten Zitat aus Goethes Faust: „Was man schwarz auf weiß besitzt, kann man getrost nach Hause tragen.“ Auch wenn es sich dabei nicht um einen Lehrsatz des Römischen Rechts handelt, bleibt die Frage, wie viel und welches Geschriebene denn nun hinweggedacht werden darf. Die Vergabekammer Nordbayern zum Beispiel denkt sich den Aufdruck „freibleibendes Angebot“ hinweg, der auf einem Begleitschreiben des Angebotes zur Lieferung von Kehrmaschinen angebracht war, allerdings jeweils erst auf der zweiten Seite und nicht etwa als Titel – während der Angebotstext mit der Zusicherung schließt, dass sich der Bieter bis zum Ablauf der Bindefirst an sein Angebot binden werde.
Die Vergabekammer sieht das Angebot also als widersprüchlich an und eröffnet den Weg der Aufklärung darüber. In Übereinstimmung mit dem BGH sieht sie die Aufklärung als zielführend, denn wenn der Bieter erklärte, der Aufdruck sei gegenstandslos, so verbleibt ein wertbares Angebot. Konkret bedeutet dies: Auch wenn der Bieter schrieb, er bliebe frei, sein Angebot zu verwerfen, so war der Auftraggeber dennoch nicht frei, ihn deswegen auszuschließen. Er hätte den Bieter fragen müssen, ob er die fragliche Aufschrift wirklich ernst meint. Wie man da noch die Grenze zum unzulässigen Nachverhandeln eines Angebotes ziehen soll, bleibt ein Geheimnis – nicht des Mephistopheles, sondern des BGH.