Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sind Bäume „nach dem derzeitigen Stand der Technik und Erfahrungen“ in „angemessenen Abständen auf Krankheitsbefall zu überwachen“. Weder in seinem grundsätzlichen Urteil vom 21.1.1965 noch im späteren Pappelurteil vom 4.3.2004 legte der BGH den „angemessenen Zeitabstand“ fest. Aber kurz darauf hat der BGH in seinem Urteil vom 2.7.2004 unter Hinweis auf den bereits genannten roten Faden ausdrücklich klar gestellt:
„Wie oft und in welcher Intensität solche Baumkontrollen durchzuführen sind, lässt sich nicht generell beantworten. Ihre Häufigkeit und ihr Umfang sind von dem Alter und Zustand des Baumes sowie seinem Standort abhängig (Breloer, Wertermittlungsforum 2004, 3, 8).“
Entgegen der Ansicht einzelner Oberlandesgerichte fordert der BGH also keine zweimal jährlichen Baumkontrollen. (AFZ-Der Wald, 16/2009, 876) Stets geht es darum, ob der Baumkontrolleur aus fachlicher Sicht im Rahmen der an diesem Standort erforderlichen Baumkontrolle Krankheitsanzeichen eines Baumes übersehen hat, die darauf hindeuten, dass der Baum umstürzen oder Äste aus seiner Krone brechen werden. Wenn ein Ast ausbricht, gibt es – von ungewöhnlicher Witterungsverhältnissen und äußerlichen Einwirkungen abgesehen – stets irgendwelche Anzeichen und Veränderungen, die auf den bevorstehenden Ausbruch hinweisen. Damit ist aber noch nicht gesagt, dass diese Anzeichen von jedem Baumkontrolleur zu erkennen sind und vor allem erkannt werden mussten, dass er also fahrlässig gehandelt hat. Es kommt auf die im roten Faden genannten Begleitumstände an, die auch dazu führen können, dass vorhandene Defektsymptome in manchen Fällen nicht erkannt bzw. nicht richtig beurteilt werden können. In solchen Fällen handelt der Baumkontrolleur nicht fahrlässig.
Das wird in der derzeitigen strengen Rechtsprechung einzelner Oberlandesgerichte (vgl. dazu die jüngsten Urteile unter Verkehrssicherungspflicht in www.baeumeundrecht.de) nicht beachtet, wenn beispielsweise das OLG Rostock in einem Urteil vom 10.7.2009 fordert, dass bei Baumkontrollen auch kleinere Pilzfruchtkörper nicht übersehen werden dürften. Das OLG Rostock erhebt zudem wieder die Forderung nach zweimal jährlicher Kontrolle, und zwar ungeachtet der eindeutigen Absage des BGH an diese Forderung. Dagegen hat das OLG Brandenburg bereits in einem Urteil vom 18.10.2007 die Forderung nach zweimal jährlicher Kontrolle unter Hinweis auf das BGH-Urteil abgelehnt.
Ebenso wenig wie es eine generelle Forderung nach zweimal jährlicher Baumkontrolle geben kann, kann es aber auch eine Feststellung geben, dass generell keine zweimal jährlichen Baumkontrollen notwendig sind. Es gibt Ausnahmen, wenn beispielsweise der Baum von einer Krankheit befallen ist, die außergewöhnlich schnell fortschreitet und in kurzer Zeit die Sicherheit des Baumes gefährden kann. Vor Jahren war dies ein Thema beim so genannten Ulmensterben, wo die Rechtsprechung in Einzelfällen eine je nach Befall notwendige zweimal jährliche Baumkontrolle forderte. Heute ist die Massaria-Krankheit eine ernst zu nehmende Bedrohung für die Verkehrssicherheit der Straßenbäume, wobei es in relativ kurzer Zeit zu einem Abbruch von Ästen kommen kann. Hinzu kommt, dass der Befall durch die Massaria-Krankheit vom Boden aus oft schwer zu erkennen ist, weil vorzugsweise die Astoberseite befallen ist. Hier muss gegebenenfalls nach dem Auftreten der Krankheit die Sichtkontrolle mit dem Hubsteiger erfolgen. Diese Beispiele zeigen einmal mehr, dass es für die Baumkontrolle keine starren Regeln geben kann. Es kommt vielmehr auf die fachliche Kompetenz des Baumkontrolleurs an.