Einkaufsführer für den Straßenbau Deutschland

Negative Preise
Vorsicht vor den HVA B-StB-Teilnahmebedingungen!

OLG Karlsruhe (Beschl. v. 18.08.2023, Az.:15 Verg 4/23)
Im 19. Jahrhundert hatten Straßenbauingenieure bei der Trassierung den Massenausgleich berücksichtigt. Das hieß: Der Aushub, der an einer Stelle des Projektes erforderlich wurde, konnte an anderer Stelle wieder eingebaut werden. So entstand kein Abraum und es musste kein Boden zugekauft werden. Heute wird auch Bodenaushub zur Handelsware. An einer Baustelle fällt mengenmäßig mehr an, an einer anderen Baustelle wird mengenmäßig mehr gebraucht. Auf der Baustelle, an der zu viel Aushub anfällt, erhält der Bauunternehmer eine Vergütung dafür, den überflüssigen Boden zu beseitigen. Wenn er Glück hat, gelingt ihm das kostenlos, weil er ihn woanders weiterverwenden kann.

Diese Vergütung wollte ein Bauunternehmen nutzen, um sich in der Ausschreibung um einen weiteren Auftrag einen Preisvorteil zu verschaffen. So bot es für den dort zu beschaffenden Bodenaushub einen negativen Preis an – in der Höhe der Vergütung, die es für die Beseitigung erhalten würde. Die Vergabestelle hielt dies für unzulässig, unter Verweis auf eine Fußnote in den Teilnahmebedingungen des HVA B-StB. Dort heißt es namentlich, dass negative Preise unzulässig seien, solange sie der Auftraggeber nicht ausdrücklich zugelassen hat.

Doch diese Teilnahmebedingungen sind rechtswidrig, auch wenn sie in einem quasi-amtlichen Handbuch stehen! Seit 15 Jahren gibt es die einschlägige Rechtsprechung, die einen bieterseitigen Anspruch auf das Anbieten negativer Preise verbrieft. Und genau so entschied es nun auch in Sachen Bodenaushub der Karlsruher Vergabesenat: Es stehe einem Auftraggeber grundsätzlich nicht zu, Mindestpreise für einzelne Angebotspositionen vorzugeben, also auch nicht den Mindestpreis „0 Euro“. Das Argument des Auftraggebers, das Verbot negativer Preise solle gerade solche Wiederverwendungen verhindern, weil so verhindert werden solle, dass zwei Baustellen in ihren Abläufen voneinander abhängig würden, greift nicht. Der Bieter ist verpflichtet, den Boden zeitgerecht zu liefern. Ist die erste Baustelle im Verzug, muss er ihn auf eigene Kosten nachkaufen.

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